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Mehr EHEC durch artwidrige Nutztierfütterung?

München (wst). Aktuell sorgt eine Häufung von Infektionen mit Enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) für Aufsehen. Neu ist das Phänomen aber nicht. Kontrovers wurde und wird diskutiert, inwieweit eine nicht artgerechte Fütterung von Wiederkäuern das EHEC-Risiko mehrt.

Seit Einführung der im Infektionsschutzgesetz von 2001 festgeschriebenen Meldepflicht wurden dem Robert-Koch-Institut bislang jährlich zwischen 900 und 1200 EHEC-Infektionen gemeldet. Die tatsächlichen Infektionsraten dürften allerdings deutlich höher liegen, zumal eine Erkrankung bei immunkompetenten Menschen häufig klinisch inapparent verläuft oder lediglich einige Tage unblutigen Durchfall bedeutet, der dann mikrobiologisch nicht spezifiziert wird. Gefürchtete Komplikation ist ein hämolytische-urämisches Syndrom, das nach Auskunft des aktuellen RKI-Ratgebers für Ärzte zu EHEC im Internet schätzungsweise fünf bis zehn Prozent aller symptomatisch EHEC-Infizierten bedroht. Überproportional davon betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder, alte und immuninkompetente Menschen.

Für den Menschen bedeutsamstes EHEC-Reservoir sind bekanntlich wiederkäuende Haustiere wie Rinder, Ziegen und Schafe. Menschen infizieren sich fäkaloral überwiegend über den Kot infizierter Tiere, wobei geringste Spuren ausreichend sein können. Konkrete Ansteckungssituationen sind etwa der direkte Kontakt mit infizierten Tieren (Streichelzoo, Ferien auf dem Bauernhof usw.) oder der Verzehr ungekochter kontaminierter Waren (z.B auf Viehweiden gesammeltes Fallobst, mit Rindermist gedüngtes Gemüse, während der Schlachtung durch Kotspuren verunreinigtes Fleisch, kontaminierte Rohmilch/Rohmilchprodukte usw.).

Über 50 Prozent der Rinderbestände infiziert

Verschiedenen Literaturangaben zufolge sind in Deutschland über 50 Prozent der Rinderbestände EHEC-infiziert, was für die betroffene Tiere üblicherweise folgenlos ist. Kritiker einer modernen Hochleistungslandwirtschaft sehen die Ursache der hohen Nutztierdurchseuchung mit EHEC vor allem in einer nicht mehr artgerechten Fütterung. So führe etwa die stärkereiche Getreidefütterung von Tieren, die evolutionär auf Gras und Heu getrimmt sind, zu einer Veränderung des Darmmilieus, die die Besiedelung mit humanpathogenen EHEC begünstigt. Insbesondere komme es durch eine solche artwidrige Getreidefütterung zu einem pH-Abfall im Verdauungstrakt der Wiederkäuer und damit auch zu einem Selektionvorteil für säureresistente Keime, die dann bei oraler Aufnahme durch den Menschen den Säureschock im humanen Magen leichter überleben. Zitiert wird in diesem Zusammenhang vor allem eine 1998 in Science veröffentlichte Arbeit der Cornell-Universität aus Ithaca im US-Bundesstaat New York, in der unter anderem gezeigt wurde, dass schon nach wenigen Tagen der Umstellung des Futters von getreidehaltigem Kraftfutter auf artgerechtes Rauhfutter (Heu) die EHEC-Last im Rinderkot dramatisch sinkt (Diez-Gonzalez et al, 1998, Science 281:1666-68). Diese nicht zuletzt mächtige Agrarlobby-Kreise störende Arbeit wurde seither von anderen Wissenschaftlergruppen wiederholt in Frage gestellt.  


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