Werner Stingl
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Trickreiche Viren und Bazillen

Manipulative Erreger

Zahlreiche Infektionserreger verursachen Symptome, die ihre Verbreitung begünstigen. Einige manipulieren ihre Opfer sogar bis zu deren Selbstaufgabe.

 

„Haaatschiii“. War der Niesende akut erkältet, wurde mit diesem explosiven Atemstoß eine weit höhere Virenlast in die Umgebung geschleudert als dies beim normalen Atmen oder Sprechen passiert. Entsprechend größer ist das Risiko, Mitmenschen anzustecken.

Niesen ist eine völlig normale Reaktion des Körpers, die Atemwege schnellstmöglich und effektiv von die Nasenschleimhaut reizenden eingeatmeten Fremdkörpern, Allergenen oder auch potenziellen Krankheitserregern zu befreien. Im Falle einer bereits bestehenden Erkältung kommt dieser Mechanismus allerdings zu spät. Es haben sich bereits zu viele Schnupfenviren oder andere Erkältungserreger in unseren Atemwegen festgesetzt, um noch durch Niesen oder auch Husten in ausreichendem Umfang eliminiert zu werden. Da müssen jetzt Antikörper und Abwehrzellen ran, die uns von den bereits eingenisteten Erregern wieder befreien.

 

Erkältungsviren „lassen“ Niesen und Husten

Die in diesem Abwehrkampf involvierten Entzündungsreaktionen reizen aber ihrerseits die Atemwege, lassen uns Niesen und Husten. Solange dabei noch lebens- beziehungsweise vermehrungsfähige Erreger in großer Zahl ausgestoßen werden, haben die beste Chancen, ein neues Opfer zu entern und sich dort zu vermehren, bevor ihnen wiederum dessen hoch gefahrenes Immunsystem Einhalt gebietet. Aber auch da wurde vorher wahrscheinlich schon wieder für Weiterverbreitung gesorgt.

Die Strategie ihrer durch Niesen und Husten forcierten Verbreitung vermögen niedrige Existenzen wie Viren und Bakterien natürlich nicht wissentlich zu nützen und zu perfektionieren. Das hat ihre Evolution für sie erledigt. Zufällige Mutanten, die beziehungsweise deren Abwehrkampf mit dem Immunsystem Nies- und Hustenattacken auslösten, konnten sich effektiver verbreiten als Atemwegsinfektionserreger, die symptomlos in ihren Wirten hausten. In der Disziplin Tröpfcheninfektion gewannen sie das Rennen im Survival of the Fittest.

Während jetzt aber beispielsweise ein erkenntnisfrei verschnupftes Schaf hemmungslos in die Herde prustet und seine Erreger ungebremst verbreitet, sollten gleichermaßen infizierte Menschen Kraft ihres Wissens schadensbegrenzend agieren. Kontaktreduktion, Niesen und Husten in die Armbeuge sowie Verzicht auf Händeschütteln reduziert nicht nur das Corona-Infektionsrisiko.

 

Bindehautenzündungserreger „lassen“ es jucken

Schon mal eine Bindehautentzündung gehabt? Das Auge ist gerötet, tränt und juckt. Letzteres kommt bakteriellen und viralen Erregern von Bindehautentzündungen höchst entgegen. Denn was tun Betroffene ganz spontan? Sie reiben sich die Augen. Viel haben sie davon nicht. Weil infolge der durch das Reiben forcierten lokalen Histaminausschüttung wird der Juckreiz nach einer kurzen Erlösung nur noch stärker oder mutiert zum Brennen. Um so mehr profitieren allerdings die Infektionserreger davon. Denn sie kontaminieren die reibende Hand und werden von dieser auf Gegenstände übertragen, die wiederum von anderen Händen berührt werden. So gelangen die Erreger auf neue Hände und von dort womöglich in ein weiteres Auge. Deshalb die goldene Regel bei juckenden Augen: Nicht reiben, zumal es für einen selbst nichts als stärkeren Juckreiz und im Falle einer bakteriellen oder viralen Ursache vermehrte Ansteckungsrisiken für andere bringt.

Häufigeres Händewaschen zu Zeiten, da man selbst oder Nahestehende eine möglicherweise infektiöse Bindehautentzündung haben, reduziert das Ansteckungsrisiko zusätzlich. Auch sollte man eine Bindehautentzündung am besten vom Augenarzt abklären lassen. Der kann nicht nur entscheiden, ob was Ernsteres dahinter steckt sondern meist auch ein Mittel verschreiben, das schnelle Symptomlinderung bringt und gegebenenfalls die ansteckende Zeit verkürzt.

 

Magen-Darm-Strategen

Magen-Darm-Erreger wie das Norovirus peinigen uns mit Brech-Durchfällen. Wie dem Schnupfenvirus, kommt auch diesen Übeltätern ein Verhalten des Körpers zugute, das an sich gedacht ist, Verdorbenes und daran haftende Krankheitskeime möglichst schnell wieder nach draußen zu befördern. Hier aber begünstigt es deren Verbreitung. Bereits mikroskopische erregerbehaftete Spuren von Erbrochenem oder Darmausscheidungen reichen aus, eine neue Infektion zu starten. Vorausgesetzt, sie gelangen als Schmierinfektion über den Mund in den Verdauungstrakt eines neuen Opfers. Ein entscheidender Verbreitungsvektor sind, ebenso wie bei der Bindehautentzündung, direkt oder indirekt über behaftete Utensilien kontaminierte Hände. Regelmäßiges Händewaschen, insbesondere vor dem Essen, ist deshalb auch in dieser Angelegenheit eine wichtige Prävention. Gleiches gilt für den nächsten Fall.

 

Der Wurm, der die Hand zu seinen Eiern lenkt

Auf den Menschen spezialisierte Madenwürmer sind vergleichsweise harmlose Darmparasiten, die auch in den modernen Industrienationen noch in nennenswertem Ausmaß vorkommen. Am häufigsten betroffen sind Kindergarten- und Vorschulkinder. Die Würmer verbreiten sich über Eier, die die Weibchen nachts am Afterrand ablegen. Dieser Akt provoziert einen lokalen Juckreiz, der die Betroffenen veranlasst, sich im Schlaf oder Halbschlaf und deshalb weitgehend unbewusst dort zu kratzen. Dabei geraten die mit bloßem Auge unsichtbaren klebrigen Wurmeier an die Hände und unter die Fingernägel. Von dort werden sie in den eigenen Mund verschleppt und geschluckt um im Darm für einen neuen Infektionszyklus heranzuwachsen. Oder aber sie werden auf berührte Gegenstände übertragen, wo sie bis zu fünf Tage lebensfähig überdauern. Von dort können sie auf die Hände Dritter und mit etwas Wurmglück und Menschenpech in einen neuen Mund gelangen.

Ein bestehender Befall, Verdachtssymptom nächtliches Afterjucken, wird nach ärztlich bestätigter Diagnose hoch effektiv mit Antiwurmmitteln bekämpft.

 

Das Virus, das Füchse furchtlos aggressiv macht

Eine Infektion mit dem Tollwutvirus ist für Menschen wie auch für die meisten anderen Warmblütler praktisch immer tödlich. Übertragen wird das Tollwutvirus durch den Biss eines infizierten Tieres, bei dem virusbelasteter Speichel in die Bisswunde gelangt.

Hauptüberträger sind der Fuchs und nachrangig auch andere Wildraubtiere sowie Fledermäuse. Menschen sind wenn, dann hauptsächlich über den Umweg eines von einem Wildtier infizierten Haustieres gefährdet.

Während ein gesunder Fuchs eher scheu ist, den Menschen meidet und vor Hunden frühzeitig Reißaus nimmt, verändert das Tollwutvirus sein Verhalten. Infolge der letztendlich tödlichen virusbedingten Hirnentzündung verliert der Fuchs seine Scheu, wird zunehmend aggressiv und beißwütig. Zusätzlich zur Verhaltensänderung begünstigt auch der vermehrte Speichelfluss, der im Endstadium der Infektion auftritt, die Weiterverbreitung des Virus.

 

Undercover im Straßenhund

Dass ein Mensch Opfer eines tollwutkranken Fuchses wird, ist eher eine Ausnahme, zumal ein sich unüblich näherndes Wildtier meist zu gebotener Vorsicht veranlasst. Gefährdet sind vielmehr Hunde, die einen nicht flüchtenden infizierten Fuchs attackieren, dabei gebissen werden und sich selbst infizieren. Und da ein sich Menschen nähernder Hund bis zum Biss nichts Ungewöhnliches ist, geht von ihnen dann die größere Gefahr für uns aus. Die Tollwut ist denn auch heute noch vor allem in Ländern ein Problem, wo das Virus unter herrenlosen Straßenhunden zirkuliert. Deshalb wird vor geplanten Überlandreisen in Länder wie Indien, Thailand, Nepal, Vietnam oder Sri Lanka eine Tollwutschutzimpfung empfohlen. Bei Ungeimpften ist nach einem suspekten Biss eine passive Immunisierungsimpfung zu erwägen.

Deutschland und einige weitere Länder Europas gelten inzwischen als tollwutfrei. Maßgeblich beigetragen hat dazu die Schluckimpfung von Füchsen mit in Wald, Feld und Flur verteilten Impfködern ab den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts.

 

Der zweifach bakteriell manipulierte Rattenfloh

Die Pest ist eigentlich eine Nagetierkrankheit, die in einigen Ländern auch heute noch gelegentlich auf den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes überspringt. Denn ihr Erreger, ein Bakterium mit dem Namen Yersinia pestis, wird durch Flöhe verbreitet. Der Floh nimmt bei einer Blutmahlzeit Yersinien bei einem infizierten Tier auf und reicht sie bei einer späteren Mahlzeit an einem noch gesunden Tier auf dieses weiter. Die Infektionsrate ist dabei umso höher, je höher die beim Flohstich in ein Opfer gebrachte Bakterienlast ist. Und hier kommt dem Pesterreger eine evolutionäre Errungenschaft zugute, die ihn einige Rattenfloharten gleich auf zweifache Weise in seinem Sinne manipulieren lässt. Es gelingt Yersinia pestis, sich im Verdauungstrakt der Flöhe zu vermehren und zu einem Biofilm zu verklumpen, der den Magen des Flohs verschließt. In der vergeblichen Mühe, doch noch seinen Magen zu füllen, sticht der so hungrig bleibende Floh öfter zu als ein unmanipuliert satt werdender Artgenosse. Gleichzeitig werden bei dem blockierten Saugakt mehr Yersinien in ein noch gesundes Opfer gespült, als wenn der nährende Blutstrom ungebremst in den Verdauungstrakt des Flohs fließt.

 

Risikofreudige Mäuse

Toxoplasmen (Toxoplasma gondii) sind parasitäre Einzeller. Um seinen kompletten Vermehrungszyklus zu vollziehen, braucht dieser Parasit als Endwirt Katzen und als Zwischenwirte Mäuse. In infizierten Katzen lebt er mehr oder weniger symptomlos in den obersten Zellen der Darmschleimhaut. Dort im Zuge einer geschlechtlichen Vermehrung zahlreich gebildete und mit Sporozoiten (Frühstadien des Parasiten) gefüllte „Eipakete“, so genannte Oozysten, werden mit dem Katzenkot ausgeschieden und sind im Erdreich bis zu eineinhalb Jahre überlebensfähig. Nehmen Mäuse mit ihrer Nahrung solche Oozysten auf, infiltrieren die in ein nächstes Stadium transformierten Sporozoiten Mäusezellen und starten dort eine ungeschlechtliche Vermehrung. Schon nach wenigen Tagen gewinnt jedoch in der Regel die zelluläre Abwehr des Zwischenwirts die Oberhand über das Geschehen. Die Vermehrung stoppt und die einzelligen Parasiten verkapseln sich in einem inaktiven Stadium in Zysten, die sich vor allem in Muskel und Hirngewebe finden. Die Infektion ist damit für die Maus weitestgehend gebannt, nicht jedoch die Gefahr für ihr Leben. Denn der Parasit ist über im Detail noch ungeklärte Mechanismen offensichtlich in der Lage, das Verhalten der befallenen Mäuse zu verändern. Sie verlieren ihre übliche Vorsicht, sind neugierig, kaum schreckhaft und damit nicht zuletzt eine leichte Beute für Katzen. Wird eine infizierte Maus von einer Katze gefressen, sind die Toxoplasmen wieder in ihrem Endwirt angekommen. Und das haben sie scheinbar nicht ganz dem Zufall überlassen. Ein neuer Zyklus kann starten.

 

Für Menschen weitgehend harmlos

Über Katzenkot können sich jedoch nicht nur Mäuse sondern auch zahlreiche andere warmblütige Wirbeltiere mit Toxoplasma gondii infizieren. Der Mensch macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil. Das Robert Koch Institut geht davon aus, dass in Deutschland bis zu 50 Prozent der Erwachsenen mit dem Einzeller infiziert sind. Ansteckungsquellen sind dabei nicht nur der direkte Kontakt mit infizierten Katzen und deren Ausscheidungen, sondern auch der Verzehr unzureichend gegarten Fleisches anderer Fehlzwischenwirte wie Rinder, Schweine oder Geflügel.

Fehlzwischenwirte für Toxoplasma gondii sind Menschen und größere Tiere deshalb, weil sie üblicherweise nicht ins Beutespektrum von Katzen gehören und sie deshalb nicht geeignet sind, den Entwicklungszyklus des Parasiten zu vollenden.

Lehrmeinung ist bislang, dass zumindest für nicht Immungeschwächte eine Toxoplasmen-Infektion trotz möglicher Zystenbildung im Gehirn weitgehend symptomlos und ohne ernste Folgen bleibt. Lediglich Schwangere müssten sich vor einer Erstinfektion hüten, da hierbei der Embryo Schaden nehmen kann.

 

Gewagte These mit Sensationspotenzial

Seit rund 20 Jahren unterhält der Prager Evolutionsbiologie und Parasitologe Professor Jaroslav Flegr Wissenschaft und Medien mit einer gewagten These: Die Mechanismen, die mit Toxoplasmen infizierte Mäuse risikofreudiger machen, könnten bei damit infizierten Menschen den gleichen Effekt haben und beispielsweise mitverantwortlich für ein riskanteres Straßenverkehrsverhalten sein. Wenngleich Flegr unter anderem auf Unfallstatistiken verweist die seine These stützen, konnte er die Mehrheit seiner wissenschaftlichen Kollegen bislang noch nicht so recht überzeugen.

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